Wie im Beitrag „Erkennen von früh geprägten Beziehungsmustern“ bereits ausgeführt, bestimmen Kindheitserfahrungen tiefgreifend unsere Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen in Beziehungen als Erwachsene. Psychologen und Therapeuten haben bereits vielfach aufgezeigt, wie frühe Erlebnisse unser Denken, Fühlen und Handeln im Erwachsenenalter beeinflussen.
Die folgenden Beispiele innerer Programme und deren Auswirkungen sollen verdeutlichen, wie komplex, vielschichtig und tief verwurzelt die Verbindungen sind zwischen Kindheitserfahrungen und unseren späteren Beziehungsmustern.
Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden
- Ursprung: Kinder, die Erfahrungen von Ablehnung oder Vernachlässigung gemacht haben, etwa durch abwesende Elternteile oder inkonsistente Zuwendung, können im Erwachsenenalter eine tiefe Angst vor Ablehnung entwickeln.
- Auswirkung: Dies kann zu übermäßigem Klammern in Beziehungen führen, zu einer überwältigenden Angst, verlassen zu werden, oder zu Verhaltensweisen, die darauf abzielen, den Partner um jeden Preis bei sich zu behalten, selbst auf Kosten der eigenen Bedürfnisse und des eigenen Wohlbefindens.
Schwierigkeiten bei Nähe und Intimität
- Ursprung: Kinder, die in einem emotional distanzierten oder kühlen Umfeld aufgewachsen sind, können Schwierigkeiten haben, Nähe und Intimität in ihren Beziehungen als Erwachsene zuzulassen.
- Auswirkung: Dies kann sich in einem Muster des “Vermeidens” äußern, bei dem die Person Mühe hat, sich emotional zu öffnen, oder in Beziehungen auf Distanz bleibt, um sich selbst vor Verletzungen zu schützen.
Konfliktvermeidung
- Ursprung: Kinder, die Zeugen von heftigen Streitigkeiten zwischen den Eltern waren oder bei denen Konflikte stets vermieden wurden, lernen möglicherweise, dass Konflikte gefährlich oder destruktiv sind.
- Auswirkung: Als Erwachsene könnten sie dazu neigen, Konflikte um jeden Preis zu vermeiden, was zu einer Ansammlung ungelöster Probleme führen kann, da sie nicht gelernt haben, Konflikte auf gesunde Weise zu navigieren und zu lösen.
Hohe Leistungsstandards und Perfektionismus
- Ursprung: Kinder, die das Gefühl hatten, nur durch Leistung oder Perfektionismus Liebe und Anerkennung ihrer Eltern zu erhalten, entwickeln oft ein bedingtes Selbstwertgefühl.
- Auswirkung: Im Erwachsenenalter kann dies zu Beziehungsmustern führen, in denen die Person ständig nach Bestätigung durch den Partner sucht, oder zu unrealistischen Erwartungen an sich selbst und den Partner führt, was zu Enttäuschung und Frustration führen kann.
Schwierigkeiten beim Ausdruck von Gefühlen
- Ursprung: Kinder, die in einer Umgebung aufgewachsen sind, in der der Ausdruck von Gefühlen unterdrückt, ignoriert oder kritisiert wurde, lernen möglicherweise, ihre Gefühle zu verbergen oder zu unterdrücken.
- Auswirkung: Als Erwachsene kann dies dazu führen, dass sie Schwierigkeiten haben, ihre wahren Gefühle auszudrücken, was die emotionale Intimität in Beziehungen beeinträchtigen kann.
Übermäßige Unabhängigkeit
- Ursprung: Kinder, die früh lernen mussten, auf sich allein gestellt zu sein, weil Eltern entweder emotional nicht verfügbar oder physisch abwesend waren, entwickeln oft eine starke Unabhängigkeit.
- Auswirkung: Im Erwachsenenalter kann dies zu einem Muster führen, in dem die Person Schwierigkeiten hat, Hilfe zu akzeptieren oder sich auf andere zu verlassen. In Beziehungen kann dies als Widerwillen erscheinen, sich zu öffnen oder auf den Partner angewiesen zu sein, was die Tiefe der emotionalen Bindung begrenzen kann.
Angst vor Konfrontation
- Ursprung: Kinder, die in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem Konfrontation oder direkter Ausdruck von Unzufriedenheit unterdrückt wurden, können lernen, dass es sicherer ist, “unter dem Radar zu fliegen” und Konfrontationen um jeden Preis zu vermeiden.
- Auswirkung: Als Erwachsene können sie dazu neigen, ihre wahren Gedanken und Gefühle zurückzuhalten, insbesondere in Konfliktsituationen. Dies kann zu passiv-aggressivem Verhalten führen oder dazu, dass Unzufriedenheit in der Beziehung nicht direkt angesprochen wird, was langfristig zu Ressentiments führen kann.
Die Notwendigkeit, zu versorgen
- Ursprung: Kinder, die emotional für ihre Eltern sorgen mussten, sei es durch Umkehrung der Eltern-Kind-Rolle oder durch Übernahme von zu viel Verantwortung in jungen Jahren, können ein tiefes Bedürfnis entwickeln, in Beziehungen die Versorgerrolle zu übernehmen.
- Auswirkung: Im Erwachsenenalter kann dies zu Beziehungsmustern führen, in denen die Person sich übermäßig für das Wohlergehen des Partners verantwortlich fühlt, oft auf Kosten der eigenen Bedürfnisse und des eigenen Wohlbefindens.
Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen
- Ursprung: Kinder, die in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem Grenzen nicht respektiert wurden oder in dem sie sich nicht sicher fühlten, ihre eigenen Grenzen zu kommunizieren, können Schwierigkeiten haben, gesunde Grenzen in zwischenmenschlichen Beziehungen zu setzen.
- Auswirkung: Als Erwachsene kann dies zu Beziehungsmustern führen, in denen die Person entweder zu nachgiebig ist und es schwer findet, “Nein” zu sagen, oder zu rigide Grenzen setzt aus Angst vor Verletzung, was die Entwicklung enger, vertrauensvoller Beziehungen erschweren kann.
Suche nach Bestätigung
- Ursprung: Kinder, die das Gefühl hatten, für ihre Leistungen oder ihr Aussehen gelobt zu werden, statt für ihr wahres Selbst, können eine ständige Suche nach Anerkennung und Bestätigung entwickeln.
- Auswirkung: Im Erwachsenenalter kann dies zu einem Muster führen, in dem die Person in Beziehungen übermäßig abhängig von der Anerkennung durch den Partner wird, was zu einer unsicheren Anhaftung und zu einem geringen Selbstwertgefühl führen kann, wenn diese Bestätigung nicht gegeben ist.